(aktualisierte Version März 2023)
Schwer und sehr schwer ME/CFS Betroffene sind oft nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen und somit auf Unterstützung von Angehörigen oder Pflegepersonal angewiesen.
Sie leiden u.a. an einer ausgeprägten körperlichen Schwäche und der Unfähigkeit, sich im Bett zu bewegen oder umzudrehen. Dazu kommen schwere, fast ständige, weit verbreitete Schmerzen und eine extreme Intoleranz gegenüber geringen körperlichen, geistigen, emotionalen oder orthostatischen Belastungen wie Sitzen, Baden, Toilettengang und Essen.
Starke kognitive Beeinträchtigungen können auftreten, wie die fehlende Fähigkeit zur Kommunikation. Außerdem reagieren viele extrem gegenüber Licht, Geräusche, Berührungen, Chemikalien und/oder Gerüche. Schwere Magen-Darm-Störungen, frühzeitige Sättigung und Nahrungsmittelunverträglichkeiten können auftreten. Eine Orthostatische Intoleranz verhindert eine aufrechte Körperhaltung und zwingt die Betroffenen, ihre Zeit flach liegend zu verbringen. Außerdem leiden viele unter schweren Schlafstörungen wie komplette Schlaflosigkeit, nicht erholsamer und unterbrochener Schlaf und verschobene Schlafzyklen.
Um Angehörigen und Pflegepersonen den Umgang mit den Betroffenen etwas zu erleichtern, gibt es einige Tipps:
Wichtig ist es, sich im Vorfeld über Faktoren wie Duftstoffe, schnelle Bewegungen, bunte Kleidung, laute Geräusche, helles Licht und Berührungen zu informieren, die die spezifischen sensorischen Empfindlichkeiten verschlimmern können. Außerdem muss auf das eigene Tempo der Betroffenen eingegangen und aufgrund der schweren Schlafstörungen Rücksicht auf die Tageszeit genommen werden, in der die Pflege stattfindet.
Kommunikation
Einige Betroffene sind nicht mehr oder nur noch schwer in der Lage, zu sprechen. Daher müssen möglicherweise neue Arten der Kommunikation gefunden werden. Dabei kann es hilfreich sein, sich auf Ja-/Nein-Fragen zu konzentrieren oder ein eigenes Kommunikationssystem zu erstellen. Angehörige und Pflegepersonen sollten außerdem langsam und leise sprechen und Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Nicht absolut notwendige Kommunikation und Hektik ist unbedingt zu vermeiden – Betroffene sind oft völlig reizüberflutet und nervös.
Beispiele für Kommunikationssysteme:
- Lormen
Das Lorm-Alphabet dient eigentlich der Kommunikation von taubblinden Menschen. Der „Sprechende“ tastet dabei auf die Handinnenfläche des „Lesenden“. Einzelne Finger sowie bestimmte Handpartien sind dabei bestimmten Buchstaben zugeordnet.
- Finger-ABC
Beim Fingeralphabet wird die Schreibweise eines Wortes mit Hilfe der Finger buchstabiert. Das Buchstabieren einzelner Buchstaben erfolgt mithilfe jedes einzelnen Fingers.
Nahrungsaufnahme
Essen sollte möglichst klein geschnitten werden, um eine Nahrungsaufnahme zu erleichtern. Viele Betroffene haben starke Probleme beim Kauen und Schlucken. Wenn feste Nahrung schwierig wird, sind Proteinshakes, Suppen, püriertes Gemüse und Früchte, Joghurt oder andere flüssige Nahrungsmittel eine Option. Beim Trinken helfen Babyflaschen und Schnabeltassen, in weniger schweren Fällen Bidons, Schüttelbecher oder Strohhalme. Generell muss unbedingt auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten geachtet werden.
Hygiene
Hygienemaßnahmen dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn es den Betroffenen auch möglich ist. Keine Zwangswäschen, kein Bett beziehen, wenn es der Zustand nicht zulässt. Ein hygienischer Abfalleimer und eine Schüssel mit Wasser und Seife (unparfümiert) sollten in Reichweite und Zahnbürste und Mundspülung auf dem Nachttisch stehen. Für sehr schwer Betroffene sind Bettpfanne, Inkontinenzslips und Windeln notwendig. Bei Frauen empfehlen sich Periodenslips während der Regelblutung.
Gerüche- und Chemikalienempfindlichkeit
Ein kompletter Verzicht auf Deo, Parfüm, Aftershave, Handcreme und Haarspray ist unbedingt notwendig. Auch Haushaltsreiniger müssen mit Bedacht ausgewählt und möglichst Bio-Produkte genutzt werden. So erspart man den Betroffenen stundenlange Übelkeit, Schwindel und Lufthunger.
Lichtempfindlichkeit
Die Lichtquelle muss gedimmt sein. Empfehlenswert ist ein Nachtlicht – ist das zu grell, kann man es mit einem orangen Post-It abkleben. Sonnenbrille oder auch Augen- bzw. Schlafmaske ist ein absolutes Muss. Außerdem sollte erst abends im Dunkeln gelüftet werden.
Geräuschempfindlichkeit
Die Geräuschempfindlichkeit kann so ausgeprägt sein, dass selbst ein Flüstern wie ein Schrei empfunden werden kann. Laute und unerwartete Geräusche, Knallen und Dröhnen im Raum oder der Umgebung müssen unbedingt vermieden werden. Dazu gehört auch klapperndes Geschirr und Besteck. Die Nutzung von Kunststoffgeschirr und Holzbesteck wird empfohlen, oder das Besteck in eine Serviette zu wickeln. Das Geräusch der Kaffeemaschine kann man z.B. durch eine Decke abdämpfen. Türen und Fenster sollten mit einem Stopper versehen werden – so lässt sich lautes Zuknallen verhindern. Betroffene können einen Gehörschutz nutzen, um Alltagsgeräusche zu reduzieren. Dazu empfiehlt sich die Kombination aus In-Ear und Over-Ear.
Emotionen
Emotionen von Personen im Umfeld lösen bei Betroffenen oft heftige Symptome aus. Daher sollten Angehörige und Pflegepersonal jederzeit die eigenen Emotionen, Bedürfnisse und Nöte hintenanstellen und sich außerdem ausreichend Zeit nehmen. Unaufmerksamkeit muss vermieden werden, auch wenn man selbst womöglich gestresst, übermüdet oder mit sich selbst zu sehr beschäftigt ist. Dinge dürfen nicht persönlich genommen werden, wenn Betroffene auf eine Aktion negativ reagieren.
Wichtig ist, dass Angehörige und Pflegepersonal jederzeit ruhig und verantwortungsbewusst agieren.
Empfehlenswert sind auch die Pflegeunterlagen von Linda & Greg Crowhurst. Diese und die Tipps aus dem Beitrag stehen euch im Blogbeitrag als PDF-Dokument (auch im Dunkelmodus) zur Verfügung:
Pflegeunterlagen:
Tipps für Angehörige und Pflegepersonen von schwer und sehr schwer ME/CFS Betroffenen
Tipps bei Adrenalinschüben
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