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Lauras Geschichte mit ME/CFS

Laura ist 22 Jahre alt und schon lange an ME/CFS erkrankt, seit zwei Jahren ist sie sehr schwer betroffen.


Aktuell geht es ihr leider immer schlechter und sie hat wie viele Angst, vergessen zu werden. Es wäre ihr ein Trost, wenn andere von ihrer Geschichte erfahren.


„ME ist wie Treibsand, je mehr man sich bewegt, dagegen ankämpft, je mehr man versucht zu leben - desto mehr wird man in die Krankheit hineingezogen.“ - Laura

Ich war damals schon einige Jahre nach einer EBV-Infektion (2018) mild/moderat erkrankt. Auch schon davor war ich nie komplett gesund, hatte einfach immer weniger Energie als die anderen und einige andere Symptome. Ich musste damals die Schule wegen der Krankheit abbrechen. Ich tat alles, um wieder gesund zu werden, ging zu unzähligen Heilpraktikern und Ärzten. Es gibt ja keine anerkannte Therapie für die Krankheit, also versuchte ich es alternativ. Alle möglichen Nahrungsergänzungsmittel hatte ich ausprobiert, Vitamin- Infusionen, Ernährungsformen, antivirale Therapien. Jedes Jahr aber konnte ich immer weniger tun. Ich recherchierte stundenlang, was mir helfen könnte. Doch nichts brachte wirklich Erfolge. Ich fühlte mich das erste mal in meinem Leben richtig machtlos.


Mein Körper reagierte immer schlechter auf Belastung. Einen Abend mit Freunden musste ich am nächsten Tag mit Grippesymptomen und erhöhter Temperatur bezahlen. Eine leichte Übung im Fitnessstudio führte dazu, dass ich den nächsten Tag mit hohem Puls und Muskelschwäche überwiegend im Bett verbringen musste. Am Anfang ging noch leichtes Krafttraining, dann noch etwas Fahrrad fahren, bald aber ging nur noch spazieren. Und das tat ich auch sehr oft, ich klammerte mich an alles, was noch ging.


Vor 3 Jahren habe ich mich entschieden mein Abi nachzuholen. Ich hatte Sorge, wie ich das hinbekomme, aber es lief besser als gedacht. Es hat mir richtig Spaß gemacht, ich hatte das Gefühl, endlich wieder mal in meinem Erfolg zu haben. Ich war voller Euphorie und auch Adrenalin, weswegen ich mich viel fitter fühlte, als ich eigentlich war. Ich hatte total gute Noten, war die Klassenbeste, das erste mal in meinem Leben.


Aber auch damals war ich eben schon ziemlich krank. Ich versuchte, die krasse Erschöpfung und die anderen Symptome zu ignorieren, ich wollte endlich mal leben. Auch wenn das nur hieß, in die Schule zu gehen und den restlichen Tag im Bett zu liegen, weil für was anderes die Kraft nicht mehr ausreichte. Leider merkte ich es sehr spät, dass lernen und sich konzentrieren oder einfach nur im Unterricht zuzuhören, auch viel Energie kosten und mich überanstrengt und somit zum Voranschreiten der Krankheit beigetragen hat. In dem Moment war es mir aber egal, ich habe nicht an die Zukunft gedacht, ich wollte mich einfach wieder wie ein normaler Mensch, wie ein Teil der Gesellschaft fühlen.


Ich hörte dann von einer Klinik, die sich unter anderem auch mit ME/CFS auskennt. Dort wollte ich unbedingt hin, ich dachte das wird mir bestimmt helfen. Ich war sehr naiv und klammerte mich an jeden Strohhalm. Ich wollte einfach nur wieder mehr am Leben teilhaben. Es waren viel zu viele Reize, Lärm, schlaflose Nächte. Ich war damals schon zu krank für ein Krankenhaus. Wie kann man dafür zu krank sein, würde man sich wohl fragen? Aber leider ist das bei der Erkrankung so. So krank, dass einem das Krankenhaus noch kränker machen kann. Ich kam total geschwächt nach Hause zurück. Ich konnte vor Schwäche kaum noch das Essenstablett dort halten. Trotzdem versuchte ich aktiv zu bleiben, ich dachte Spaziergänge, das wird mir doch noch helfen, aber es bewirkte nur das Gegenteil.


Anstatt, dass ich endlich die Notbremse zog, machte ich noch weiter. Ich wollte unbedingt das Schuljahr abschließen. Ich nahm meine ganze letzte Kraft zusammen und war total unter Adrenalin. Was dann auch zu starken Schlafstörungen führte, weil ich gleichzeitig extrem erschöpft, aber auch aufgedreht war. Ich schlief nächtelang kaum und saß dann in der Schule teilweise zittrig vor Schwäche im Unterricht, konnte mich kaum auf dem Stuhl halten.


Ich geriet in eine riesige Abwärtsspirale aus Überanstrengung und die daraus resultierende Schlaflosigkeit, so konnte sich mein Körper überhaupt nicht mehr erholen. Auch nicht in den Ferien, obwohl ich alles dafür gab.


Nachdem ich mich dann auch noch mit einer Erkältung angesteckt hatte, wachte ich eines morgens auf und ich war so schwach, dass ich mich nicht auf den Beinen halten konnte. Die Schwäche war so extrem, es war wie lähmend, als ob jegliche Energie aus meinem Körper rausgeflossen war. Schon alleine ein paar Worte zu sprechen, war schon eine zu große Anstrengung. Das machte mir solche Angst, dass ich meinen Eltern sagte, sie sollen den Krankenwagen rufen.


Ich war schon lange an ME/CFS erkrankt, aber so schlimm war es noch nie. Ich dachte, das muss was anderes sein, ein schlimmer Infekt vielleicht oder etwas anderes neurologisches, was man evtl. behandeln konnte. Es schien mir unmöglich, dass diese Krankheit solche Ausmaße annehmen kann. Ich hatte es gnadenlos unterschätzt. Die Ärzte sagten, alle üblichen Blutergebnisse und sonstige Untersuchungen seien in Ordnung und ich sollte langsam anfangen, mich mehr zu bewegen ,um wieder auf die Beine zu kommen. Ich versuchte zu erklären, dass das absolut unmöglich sei und alles nur noch schlimmer machen würde. Aber es war zwecklos.


Am nächsten Morgen wachte ich auf und ich hatte gerade mal die Kraft mich im Bett umzudrehen. Man kann sich das nicht vorstellen, wie es einem so gehen kann, wenn man es noch nie erlebt hat. Ich würde es auch nicht glauben, hätte es mir damals jemand erzählt. Ich hätte wahrscheinlich gedacht die Person spinnt oder will Aufmerksamkeit. Aber nein, leider war das die Realität.


Man kann es sich vorstellen wie einen kaputten Akku, der sich einfach nicht mehr aufladen kann und der immer weniger wird. Anstatt sich wieder mit 100% (bei gesunden Menschen, bei mir war es jahrelang ja schon um einiges weniger) aufzuladen, war meiner vielleicht bei 5%. Ich merkte instinktiv, ich darf jetzt keine weitere Kraft mehr verlieren, es darf nichts mehr passieren, was zu einem Crash führen könnte.


Aber der Arzt sagte ja, ich soll spazieren gehen, mich bewegen. Ich versuchte, meinen Eltern zu erklären, dass das nicht geht, dass Anstrengung kontraproduktiv und in meinem Zustand schädlich ist. Zum Diskutieren hatte ich aber auch keine Kraft, außerdem hatte ich Angst, dass man mich irgendwann in eine Psychiatrie oder ähnliches einweisen würde (was ja auch schon einigen passiert ist), wenn ich mich mich weigere, nur im Bett liege und gegen ärztlichen Rat handele. Also dachte ich, muss ich das irgendwie eben tun, in dem ich alle meine Kraft zusammen nehme, vielleicht hilft mir Bewegung ja doch.


Während des Spaziergangs betete ich, dass mein Körper das irgendwie durchsteht. Mir war so schummrig und schlecht vor Erschöpfung, dass ich dachte, ich krache einfach jeden Moment zusammen. Mein Herz pumpte, als ob ich gerade ein Marathon laufen würde. Die Autofahrten zu Ärzten waren wie Folter, vor allem auch, weil ich wusste, dass es umsonst war, weil mir eh keiner wirklich helfen könnte oder meine Krankheit verstehen würde. Jede Erschütterung, jede Kurve, löste starke Übelkeit aus. Jeder Reiz war zu viel. Ich war so geräuschempfindlich, dass Musik aus dem Radio oder andere Geräusche einfach nur wehtaten. Wie, als wenn man mir ins Ohr schreien würde.


Bald endeten die Spaziergänge und Autofahrten. Eine Weile ging es mir auch etwas besser. Ich lag die meiste Zeit des Tages nur, aber ich konnte auch ziemlich viel Zeit mit meiner Familie verbringen, was ich sehr genoss. Wir schauten Fernsehen und ich unterhielte mich mit ihnen, so viel wie ich konnte.


Es war aber schwer zu "pacen", wie man das so sagt, wenn schon die alltäglichsten und notwendigsten Dinge über die Grenzen hinausgehen. Wenn ich nach dem gelebt hätte, nicht mehr Kraft zu verbrauchen, als man hat, dann hätte ich gar nichts mehr tun können. Wie soll man pacen, wenn allein die Verdauung zu viel Energie kostete? Wenn die bloße Anwesenheit einer Person im Raum, unerträglich wurde? Wenn jede Berührung zu viel ist, jeder Reiz sich wie ein Elektroschock anfühlt? Manchmal war es so schlimm, das ich nach dem Essen so eine starke Übelkeit hatte, dass ich einfach nur mit geschlossenen Augen, regungslos daliegen konnte, weil jede kleinste Bewegung die Übelkeit schlimmer machte. Weil allein schon das Essen und die Verdauung meinen Körper so überfordert hatte.


Ich sehe meinem Körper zu, wie er immer schwächer wird. Und je mehr ich mich mich dagegen wehre, desto schlimmer wird es. Wie in einem Treibsand, je mehr man strampelt, je mehr man sich wehrt, desto tiefer wird man reingezogen. Trotzdem habe ich versucht, so viel dagegen anzukämpfen wie möglich, obwohl ich wusste, es wird mich einholen. Aber der Kampf bei ME/CFS funktioniert anders als bei anderen Krankheiten, man muss dafür kämpfen, sich nicht zu wehren, nicht ans Handy zu gehen und nicht zu reden, obwohl man den Drang nach Ablenkung und nach dem sozialem Leben oder dem Leben überhaupt spürt.


Ich war aber total schlecht darin. Begriff erst zu spät, dass alleine am Handy sein schon zu viel ist. Hörte erst auf, als so starke Nackenschmerzen und Übelkeit bekam, dass mir nichts anders übrig blieb, als mit geschlossen Augen ruhig dazuliegen. Es erfordert ungemein viel Disziplin, komplett zu ruhen und die hatte ich oft nicht.


Seit einigen Wochen geht es mir so schlecht, dass ich nicht weiß, wie lange mein Körper das noch durchhält. Die Zeit arbeitet gegen mich. Mittlerweile geht es mir von Tag zu Tag schlechter und ich bin über jeden Morgen froh, den ich noch erlebe. Ich habe so unglaublich viel Angst. Ich will das nicht. Ich kann nicht glauben, dass mein Körper mich so im Stich lässt. Ich will einfach nur leben. Ich bin 22 Jahre alt, das kann doch nicht sein? Ich kann das einfach nicht akzeptieren.


Ich hoffe jeden Tag, dass mein Zustand sich wenigstens ein bisschen stabilisiert, aber es sieht einfach verdammt schlecht aus. Das Leben ist scheiße unfair. Ich kann es überhaupt nicht akzeptieren, 0%. Aber wie soll man das auch akzeptieren? Wenn es so kommt, sind wir alle machtlos. In diesen Momenten denke ich an schöne Zeiten. Ich hatte so schöne Momente mit meiner Familie zusammen. Ich hatte so eine wundervolle Kindheit, an die ich so oft zurückdenke, das hatte mir auch immer Kraft gegeben in schlechten Zeiten. Damals als alles noch gut war.

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