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Milas Vorstellung (Januar 2022)

Ich möchte euch heute Mila vorstellen. Mila ist 20 Jahre alt und seit fast drei Jahren schwerst betroffen. Milas Geschichte berührt aufs Unfassbare, und nein, ihr Schicksal ist kein Einzelfall. Ihre Mutter Sabine gibt auf ihrem Blog und bei Twitter regelmäßige Einblicke in Milas Situation und zeigt die Hürden auf, die die Erkrankung im schwersten Stadium mit sich bringt.


In diesem Beitrag stellt Mila sich selbst vor. Der Text entstand im Laufe mehrerer Wochen. An besonders guten Tagen schrieb sie ein einzelnes Wort auf ihr Bettlaken ("trapped", etc.), meist auf Englisch. Ihre Eltern erstellen darauf den Text, der - wiederum an guten Tagen - in einzelnen Absätzen mit ihr besprochen wurde.


Milas Vorstellung (Januar 2022)


Originalpost von Sabine Hermission (https://milaandmecfs.wordpress.com/2022/01/07/mila-introduction/)


Mein Name ist Mila. Ich bin 19 Jahre alt und sehr schwer an ME/CFS erkrankt. Ich weiß, dass Menschen, die nicht selbst betroffen sind, sich das kaum vorstellen können. Deshalb möchte ich hier davon berichten.


Seit November 2020, mehr als 10.000 Stunden, liege ich in totaler Dunkelheit in meinem Bett. Ich kann meine Arme und Beine kaum mehr bewegen, nicht mehr selbst essen, höchstens eine Minute sitzen und seit einem halben Jahr auch nicht mehr sprechen. Wenn ich etwas mitteilen möchte (wie hier), dann geht das nur an guten Tagen, wenn ich mit dem Finger Buchstaben auf mein Betttuch schreiben kann.


Am schlimmsten aber ist die Ungewissheit, die Angst und die totale Einsamkeit. Selbst mein Kater ist zu anstrengend und kann nicht mehr bei mir sein. Meine Eltern und Pflegerinnen sind nur für die notwendigsten Verrichtungen im Zimmer. Alles muss schnell gehen und so ruhig wie möglich, um Reizüberlastung und weitere Crashs zu vermeiden. Draußen geht das Leben weiter. Meine Zwillingsschwester und meine Freundinnen haben ihre Matura gemacht, waren im Ausland, beginnen mit dem Studium. Ich bin hier gefangen, Stunde um Stunde, Tag für Tag, Monat für Monat, in Isolationshaft, lebendig begraben.


Ich war 15 Jahre alt, als ich mich im Herbst 2018 nach einer Virusgrippe nicht mehr erholt habe. In den ersten Jahren habe ich es mit großer Anstrengung noch geschafft, das 6. und 7. Schuljahr zu beenden. Heute weiß ich, dass das für meine Gesundheit nicht gut war, aber ich hatte so viele Pläne. Ich war es gewohnt, trotz Schwierigkeiten den Optimismus nicht zu verlieren und meinen Weg zu gehen. Heute, nach meinem schweren Crash, bleibt mir nur die Hoffnung, dass die Krankheit endlich wahrgenommen wird, dass es Forschung gibt und möglichst bald eine Therapie.


ME/CFS ist eine schreckliche Krankheit, die mir meine Jugend nimmt und die ein Leben völlig zerstören kann. Es gibt alleine in Österreich viele tausend Betroffene und es kann jede/n erwischen. Da ist es kaum zu glauben, dass es so gut wie keine medizinische Versorgung gibt, erschreckende Unkenntnis und Ignoranz bei vielen Ärzt:innen und viel zu wenig Forschung.


Bitte: Ich werde versuchen, so gut es geht durchzuhalten, aber ich – wir! – brauchen Hilfe. Wir brauchen Versorgungsstrukturen, wie sie jedem kranken Menschen zustehen. ME/CFS und andere postvirale Erkrankungen müssen zu einem Schwerpunkt der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden. Und wir brauchen biomedizinische Forschung und klinische Studien, damit endlich Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden. Bitte nehmen Sie das vieltausendfache Leid und die Erfahrungen der Betroffenen ernst und handeln Sie. Danke.



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