„Ich kann meinen Zustand nicht mehr mit oder als Leben bezeichnen. Es hat wirklich alles zerstört, nicht nur den Körper, sondern das Leben an sich ist völlig ruiniert. Im Grunde ist von meinem Leben nichts übriggeblieben. Was mir extrem zu schaffen macht, ist der komplette Verlust von Autonomie.“ – Sibylle
Mein Name ist Sibylle und laut ME/CFS Charité Befund vom Herbst 2018 bin ich irgendwo zwischen 10 und 20 auf der Bell Skala. Tatsächlich bedeutet das: schmerzhafte Small Fiber Symptome, die ich nicht aushalte. Theoretisch kann ich noch aufstehen, durch meine Wohnung gehen, komme aber sofort an meine Grenzen, weil ich u.a. meinen Körper nicht halten kann und mir die Beine wegbrechen. Sitzen geht manchmal kurz, aber durch die Herz-Kreislauf-Fehlregulationen (u.a. POTS) ist das nicht mehr als ein paar Minuten möglich. Also muss ich liegen, wie so viele Betroffene.
2011 hatte ich eine Malaria Tropica Infektion, das ist eine parasitäre Infektion, an der man innerhalb von ein paar Tagen unbehandelt stirbt. Entsprechend schwerwiegend ist die Medikation. Ich war danach nicht mehr dieselbe Person wie vorher, konnte aber arbeiten. Aufklärung über mögliche Langzeitfolgen bekam ich keine. Im gleichen Jahr hatte ich wieder Pech und eine Lebensmittelvergiftung, so war jedenfalls die Vermutung. Diese wurde leider, - wie ich viele Jahre später herausfand - mit Fluorchinolonen behandelt. Fluorchinolone sind hoch toxisch für Nerven, Zellen, Bindegewebe und Gefäße.
2014 ging dann rapide die Abwärtsspirale los: Viele Nebenhöhlenentzündungen, dann eine Frozen Shoulder, wieder Antibiosen und Cortison. Schließlich gab mir eine Zahn OP, mit Metronidazolen behandelt, - auch hoch toxisch - den Rest. Bis 2017 habe ich mich weitergeschleppt, bin dann aber in einem Klinikaufenthalt aufgrund falscher Behandlungen, - u.a. Aktivierung - endgültig zusammengebrochen. Wurde natürlich alles auf die Psyche geschoben.
Seitdem bin ich ein Pflegefall, ohne entsprechende Versorgung. Ich habe dann weiter recherchiert: Herpes Viren reaktiviert, auch Borreliose und Co - Infektionen im Blut nachweisbar. 2020 habe ich mich nach Spanien bringen lassen. Dort wurde schließlich auch eine Instabile Halswirbelsäule festgestellt, die - so vermute ich - aufgrund früherer Ereignisse (kleinere Unfälle und die Zahn OP’S (hier durch Überstreckung der HWS) und dem stetigen Collagenverlust durch u.a. den Fluorchinolon Schaden sowie durch die anhaltenden Pathogene) eben instabil geworden ist. Die Ligaments werden „lax“, das habe ich auch in den Gelenken.
Um es kurz zu fassen: ich hatte nicht das eine - singuläre - Ereignis, bei mir sind es viele „Schläge“, die mich in die Abwärtsspirale katapultiert haben.
Meine Herausforderungen im Alltag sind immer mit der Frage verbunden: wie kann ich den nächsten Tag überhaupt überleben? Auch rein pragmatisch: also, wo bekomme ich Essen her, wer kann meine Wohnung einigermaßen in Ordnung halten, damit hier nicht alles verkommt, und dann natürlich die Frage: wie kann ich diese schrecklichen Symptome aushalten? Wie lange können Körper und Seele das noch mitmachen?
Ich habe nicht annähernd die Versorgung, die ich benötige, um hier einigermaßen über die Runden zu kommen. Hinzu kommt der Druck der stetigen Verschlimmerung der Symptome, mein Körper brennt wie Zunder, durchlaufen von Elektroschocks, Vibrationen, irrsinnigen Kopfgefäßgeräuschen, Schmerzen u.v.m. - das kann ich nicht kompensieren. Ich kann nicht mehr regelmäßig duschen, mich nicht versorgen. Zuletzt bin ich bei der Krankenkasse an einer Erhöhung des Pflegegrads gescheitert. Das passiert schließlich fast allen. Das ist natürlich zusätzlich sehr zermürbend. Ich hätte nie gedacht, dass unser System so versagt.
Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was mir Kraft gibt durchzuhalten. Ich hänge sehr am Leben, aber auch nicht mehr um jeden Preis. Das Leben ist ein Geschenk und wir sind hier eigentlich auch nur zu Gast und man sollte versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber ab irgendeinem Zeitpunkt geht das nicht mehr, mit dieser Erkrankung, den quälenden Symptomen und der völligen Isolation obendrein.
Die Spendenkampagne #fundraisingbc007MEcfs hatte mir „Kraft“ gegeben, weil ich das Gefühl hatte, ich tue etwas Sinnvolles aus meiner Isolation heraus. Dieses ganze Durcheinander (Stand 10. Juli 2022) mit der Spendenkampagne hat mir ziemlich zugesetzt. Was mir auch zusetzt, ist die Tatenlosigkeit der Politik in jeder Hinsicht. Da ist es schwer, an irgendwas zu glauben, was mir Kraft gibt. Kraft gibt mir dennoch der Kontakt mit anderen Betroffenen, der Austausch, die Unterstützung untereinander.
Meine Wünsche für mich sind ganz klar: Symptomlinderung. Und natürlich Formen der Behandlung, damit man ein Stück Lebensqualität wieder zurückbekäme, aber dafür müsste sich alles um 180 Grad drehen, das Bewusstsein bei den Ärzten, bei den Politikern und in der Gesellschaft. Ich für mich glaube nicht mehr an Heilung, weil ich zu viele Komorbiditäten habe, denen so gut wie niemand auch nur einen Funken Aufmerksamkeit schenkt. Die Perspektive ist da sehr gering.
Mein dringender Wunsch ist es, dass das komplexe Thema und die Betroffenen natürlich gesehen werden und jemand diesen Skandal der unterlassenen Hilfeleistung endlich so aufdeckt, dass man nicht mehr wegsehen kann. Einen Dokumentarfilm über dieses Thema würde ich gerne noch machen, das leiern wir ja gerade an. Zusage vom Sender gibt es, aber Finanzierung steht noch nicht ganz. Es wäre mein Wunsch, diesen Film zu realisieren und das noch zu schaffen.
Auch würde ich gerne noch einmal das Meer sehen und so gerne darin baden.
Eigentlich bin ich stark, doch auch ich bekomme zu spüren, wie das Leben sich mehr und mehr in deine Richtung dreht. Ich versuch dagegen zu halten, mit allem was ich (noch) hab.
Doch die Gedanken werden leise stiller, Stück für Stück, jeden Tag. Muss man als Mensch der man einstmals war jetzt immer und immer wieder kämpfen, Tag für Tag!
Vielleicht kommt sehr bald schon der Punkt, wo man nicht mehr kann und mag. Dann soll es auch gut sein, doch gerne hätte ich noch ein bisschen Leben, wie es einst einmal war.
Ich wünsche dir und allen anderen, dass wir in Frieden gehn, ohne Scharm.
Ich Umarme dich ganz lieb